Ein Gastbeitrag von Lukas Lilienbecker

Max Hopp (Foto von Sven Mandel / CC-BY-SA-4.0 – wikimedia commons/)

„Er muss schon wieder bangen. Hopp droht WM aus“ … „Arroganter Idiot der keine Leistung bringt“ … „Schade wie er sein Talent verschleudert hat“ … „Der Minimizer hats wieder verkackt“

Es war kurz vor 22 Uhr an diesem Neujahrstag 2023, als der Saarländer Gabriel Clemens mit dem ersten Dart die Doppel 4 traf um die Nummer 1 der Welt, Gerwyn Price aus dem Turnier zu werfen. Zum ersten Mal in der Geschichte stand ein deutscher Teilnehmer unter den letzten vier einer PDC-Weltmeisterschaft. Clemens löste damit eine Welle der Begeisterung und Euphorie aus. 3,78 Millionen Menschen sahen in der Spitze sein darauffolgendes Halbfinalspiel auf Sport1. Hinzu kommt noch die Übertragung beim kostenpflichtigen Streaming-Dienst DAZN. Von der Tagesschau bis zur kleinen Dorfzeitung überschlug sich die deutsche Medienlandschaft mit Lobeshymnen auf den German Giant. Ehrlicher- und vielleicht sogar traurigerweise habe ich unzählige der Berichte und darauffolgenden Kommentare mit einem lachenden und einem zumindest zusammengekniffenen Auge gelesen. Mit dem lachenden Auge aus Respekt und Anerkennung vor der sensationellen Leistung Clemens und der Hoffnung auf einen (noch stärkeren) Aufschwung für den Dartsport in Deutschland. Das zusammengekniffene Auge jedoch erinnert sich an die Berichte und Kommentarspalten als die deutschen Spieler nicht die Leistungen abrufen und die Ergebnisse einfahren konnten, die der ambitionierte Zuschauer offensichtlich braucht, um zufrieden zu sein. Clemens selbst, für den das restliche Dartsjahr gar nicht so rund lief, wie das WM-Ergebnis vermuten lässt, postete auf Instagram bereits häufiger erhaltene Droh-Nachrichten, zu denen sich der ein oder andere angehende Wett-Weltmeister gezwungen sah, nachdem Clemens ihm mit einer unterirdischen Leistung mal wieder den Tippschein ruinierte. Wesentlich schlimmer trifft der Hass im Netz jedoch einen anderen. Max Hopp, Spitzname- Der Maximiser, Baujahr 1996 und damit frische 26 Jahre alt, seinerzeit zweit-jüngster WM-Teilnehmer aller Zeiten, galt lange Zeit als DAS Aushängeschild des deutschen Dartsports. Sein Alter deutet an, wie erfolgreich dieser Junge bereits in seinen frühen Jahren war. Jugendweltmeister 2015 (übrigens der einzige deutsche Jugendweltmeister überhaupt – In diesem auserwählten Kreis finden sich u. a. Namen wie Michael Smith, Luke Humphries, Dimitri van den Bergh und ein gewisser Josh Rock), German Darts Open Sieger 2018 (und damit einziger deutscher Sieger eines European-Tour- Events), Players Championship-Sieger (einziger deutscher Pro-Tour-Sieger) sind nur seine größten Erfolge. Wohlgemerkt hat sich Max Hopp zu einer Zeit als Profi etabliert, als Darts in Deutschland noch in den Kinderschuhen steckte. Als Teenager ohne angemessene Fördermöglichkeiten hat er es geschafft sich unter den englischen Vollprofis zu etablieren. Stellt euch vor, jedes Spiel was ihr nun bestreitet, hat direkte Auswirkungen auf eure finanzielle Existenz. Jedes nicht getroffene Doppel kostet bares Geld. Ich für meinen Teil bin schon beim 10€-Hinterhofturnier nervös genug. So viele Hüte kann man nicht tragen, die man für den Mut, den Willen und die Durchsetzungskraft dieses, ich wiederhole mich, Teenagers, ziehen muss.

Max Hopp wurde in seinen Anfängen vielfach gelobt, von seinen Anhängern, von der deutschen Presse und von den englischen Profis. Plötzlich war dort jemand, der zeigte, dass man auch in Deutschland gut Dartspielen konnte. Mit Max Hopp gab es ein Zugpferd, welches den Sport in Deutschland immer populärer machte. Hopp hat an der Entwicklung des deutschen Dartsports in den letzten Jahren großen Anteil. Man stelle sich vor, als Jugendlicher und junger Erwachsener, zwischen 16 und 22 – so lange war Max Hopp die deutsche Nummer eins und außerdem der einzige konstante deutsche WM-Teilnehmer, bevor Gabriel Clemens und Martin Schindler sich etablierten – stünde man unter permanenter Beobachtung. Jedes Spiel wird genauestens analysiert, jedes Wort in jedem Interview auf die Goldwaage gelegt und eine ganze Nation wartet nur auf deinen größtmöglichen Erfolg. Lässt man den Blick mal in die Niederlande oder nach England schweifen, stellt man andere Bedingungen für Nachwuchstalente fest. Mehrere große Namen wie Michael van Gerwen, Raymond van Barneveld oder Danny Noppert ziehen die Aufmerksamkeit auf sich. Begnadete Nachwuchstalente wie Danny Jansen, Geert Nentjes oder Niels Zonneveld können abseits des ganz großen Rampenlichts reifen und einen Schritt nach dem anderen gehen – Zeit die Hopp nie gewährt wurde. Trotzdem kämpfte er sich bis in die Top 24 der Welt vor – ich möchte schon wieder Hüte nachkaufen – was die erfolgsverwöhnte Nation jedoch nicht davon abhielt bei jeder Niederlage auf die Barrikaden zu gehen und auf Social Media förmlich Wellen des Hasses auf den Jungen niederschlagen zu lassen. Wenn ich nur so beleidigend wie möglich auf einen Anfang 20 Jährigen eintrete und seine bisher erbrachte Leistung vollständig ignoriere, dann wird er es wohl beim nächsten Mal besser machen. Nebenbei frage ich mich, wie man überhaupt auf die absurde Idee kommen kann, ein RECHT auf die gute Leistung eines Spielers haben zu wollen.

Die letzten zwei Jahre liefen aus sportlicher Sicht nicht gut für Hopp. Er rutschte in der Order of Merit immer weiter zurück und brauchte vor der WM den Sieg bei der Super League, um sich noch die WM-Teilnahme zu sichern und damit die letzte Chance auf den Erhalt der Tourcard zu wahren. Doch – Überraschung – an der Super League nehmen noch 23 andere Spieler teil, die allesamt hervorragende Darts spielen können, u. a. ebenfalls ehemalige WM- Teilnehmer wie Florian Hempel oder Dragutin Horvat. Für den eingefleischten Hopp-Kritiker natürlich kein Grund darauf zu verzichten der ehemaligen deutschen Nr. 1 in den Facebook- Kommentaren mal wieder so richtig die Meinung zu geigen. Auf Gegenstimmen á la „mach´s doch mal selbst besser, wenn du Max sein Können absprichst“ wird vorzugsweise immer gleich reagiert: „Ich bin ja auch kein Profi“. Abgesehen davon, dass man auf den 10€-Hinterhof- Turnieren immer wieder Leuten begegnet, die reden als hätten sie die Weltmeisterschaft bereits gewonnen, ehe sie mit einem 34er Average und einem Was-ist-denn-heute-los-Gemurmel nach der Gruppenphase die Segel streichen, frage ich mich, welche Verpflichtungen mit dem Profisein einhergehen. Hopp ist weder ein Zirkustier, das so auftritt wie der Zuschauer es gerne hätte, noch ein Roboter der mechanisch zuverlässig seine Arbeit ausführt, sondern ein junger Mensch, der sein bisheriges Leben den Pfeilen gewidmet, und Darts in ganz Deutschland vorangebracht hat. Ganz egal ob ich schlechter oder besser spiele als Max Hopp ist jeder beleidigende oder diffamierende Kommentar verachtenswert.

Floran Hempel und Gabriel Clemens (Foto von Sven Mandel / CC-BY-SA-4.0)

Ein mindestens genauso großer Vorwurf ist Sport1 zu machen, welches die Plattform des Internetmobbings zur Verfügung stellt. Während der mehrere Tage andauernden Super League veröffentlichte Sport1 auf Facebook Unmengen kurzer Artikel zum aktuellen Geschehen in der Halle. Im Fokus stand fast ausnahmslos Hopp. Einen Artikel möchte ich hervorheben der sinnbildlich für den journalistischen Stil von Sport1 steht. Florian Hempel siegte in der Super League in einem Spiel gegen Max Hopp. Sport1 titelte: „Klares Ding“ Hopp geht gegen Hempel unter“. Was erst beim Lesen des Artikels deutlich wird ist, dass es für Hempel bereits das 17.(!) Spiel in Folge war, welches der Kölner gewann. Sport1 richtet jedoch ganz bewusst den Fokus auf den schlecht aufgelegten Max Hopp. Der Sender berichtet damit nicht nur negativ über Max Hopp, sondern auch nicht-positiv über Florian Hempel. Es könnte so einfach sein: „Hempel dominiert die Super League. Kölner holt 17. Sieg in Folge“. Lieber wird jedoch weiter die Sau durchs Dorf getrieben, wohl wissend welche Kommentare sich unter dem Post zusammenfinden werden. Konstruktiver Journalismus weicht der Geilheit auf Klicks und Kommentare und das auf dem Rücken eines 26-Jährigen – zum Fremdschämen.

Hopp gewann schließlich nicht die Super League (sondern Hempel) und qualifizierte sich nicht für die WM. Wie reagiert nun Sport1 auf diese Situation? Wie zum Hohn stellen sie genau welchen Spieler als Experten ein? Richtig. Hopp zieht dennoch professionell seine Arbeit durch und macht zusammen mit Jana Wosnitza einen super Job vor der Kamera – Neue Hüte bitte! Ich hoffe Sport1 zeigt sich erkenntlich und verschont ihn vor einer neuen Hetzjagd, sollte er sich bei der anstehenden Q-School ganz überraschend nicht durchsetzen können. Mein Gefühl ist leider schlecht.

Währenddessen erreichte Gabriel Clemens das Halbfinale und gewann innerhalb von 3 Wochen über 200.000 neue Instagramfollower. Ich blicke schon jetzt mit Sorge auf die WM in einem Jahr. Muss Clemens dieses Mal Weltmeister werden, um weiter gefeiert zu werden, gibt es für ein erneutes Halbfinale (nur) noch anerkennendes Kopfnicken? Und was passiert eigentlich, wenn er vorher ausscheidet? Ich möchte nicht daran denken.

Ich wünsche Gabriel Clemens so lange wie möglich anhaltenden Erfolg und gönne es Max Hopp, eine Zeitlang nicht das Aushängeschild des deutschen Dartsports sein zu müssen.

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